Brauchtum im November

Brauchtum im November

Heilige und Narren

Auf den 31. Oktober folgt der 1. November, Halloween wird von Allerheiligen abgelöst. „Was für ein Gegensatz!“, werden viele erleichtert seufzen, „jetzt geht’s wieder um die Heiligen.“


Was für ein Irrtum! Es gibt keinen Gegensatz zwischen Allerheiligen und Halloween.
„Halloween“ ist die sprachlich verkürzte Version von „All Hallows’ Eve“, was
„Allerheiligenabend“ bedeutet.


Der Vorabend des kirchlichen Festtages ist zwar den Heiligen und Märtyrern gewidmet, aber wir gedenken nicht der großen Glaubensvorbilder, sondern unserer verstorbenen Angehörigen. Wir halten uns also selbst nicht an den offiziellen Sinn von Allerheiligen, mokieren uns jedoch über einen angeblich „amerikanischen Brauch“, der freilich aus Irland und damit aus Europa stammt…

 
Zu Allerheiligen, am 1. November, geht „man“ auf den Friedhof. Seit der Tierschutzgedanke das Tragen von Pelzmänteln verunglimpft hat, ist es wenigstens nicht mehr üblich, sich beim Gräberbesuch – unabhängig von der Temperatur – in Pelz zu hüllen und damit, christlicher Bescheidenheit widersprechend, stolz zu zeigen, was frau sich leisten kann. Die 60er-Jahre sind überwunden.


Auf die Friedhofsprozession folgen Andacht und Gräbersegnung, dabei stehen die Menschen an den von „Seelenlichtern“ erleuchteten, herbstlich geschmückten Familiengräbern.


In manchen Orten wird noch der Brauch des Turmblasens zu Allerheiligen gepflegt, etwa in Freistadt. In St. Nikola im Strudengau, im Unteren Mühlviertel, wird der Donau zum Gedenken an alle Ertrunkenen ein Kranz übergeben.

Mit einem überlieferten Heischebrauch erbitten Patenkinder von ihren Paten einen geflochtenen Briochezopf – „Allerheiligenstriezel", „Seel(en)wecken" oder „Seelenzopf" –, in dem ein Geldstück steckt:

„Bitt schön um an Allerheilignstriezel, aber an weißn, weil an schwarzn kann i net beißn, an langen, weil an kurzn kann i net derglangen.“

Nach altem Volksglauben steigen die „armen Seelen“ in dieser Woche aus dem Fegefeuer zur Erde herauf, um sich kurzfristig von ihren Qualen zu erholen. Stellvertretend für sie werden Mittellose mit Wecken beschenkt.

Am 2. November wird seit dem Mittelalter Allerseelen gefeiert. An diesem Tag beten Christen für die „Armen Seelen“, um ihre Leiden im Fegefeuer zu lindern und ihnen auf ihrem Weg in den Himmel beizustehen.

Sollten die Temperaturen an diesem Tag ins Minus rutschen, verheißt das übrigens einen frühen Wintereinbruch. Die Bauernregel dazu:

Haben’s die armen Seelen kalt,
wintert’s bald.


Leonhard, der Rossheilige

Kurz darauf folgt der nächste wesentliche Termin im heimischen Brauchtum, der
Leonharditag am 6. November. Leonhard von Limoges war ein fränkischer Adelssohn, der
um 500 n. Chr. am Hof der Merowinger erzogen wurde. Laut Legende habe er allein durch
sein Gebet die Ketten zahlreicher Gefangener zerspringen lassen. Als Dank für die Rettung
von König Chlothars Frau und Kind erhielt er so viel Land, wie er auf einem Esel in einer
Nacht umreiten konnte. Dort gründete er das heute noch bestehende Kloster Noblat.


Der „Rossheilige“ Leonhard gilt als Schutzpatron von Rindern und Pferden. Dargestellt wird
er mit Kette, Hufeisen und Tierfiguren. Ihm zu Ehren finden am Wochenende vor oder nach
dem 6. November Wallfahrten, Leonhardiritte, Tier- und Pferdesegnungen statt.


Beim Leonhardiritt werden die geschmückten Pferde nach dreimaligem Ritt um die Kirche
gesegnet und erhalten eine geweihte Maulgabe, das Leonhardibrot. Jugendliche tragen
Leonhardibuschen aus Buchenästen mit bunten Bändern oder Leonhardistangen mit
Zweigen, Ketten, Hufeisen und bunten Bändern.


Nach den Leonhardiritten werden in manchen Gemeinden – zum Beispiel in St. Leonhard bei
Pucking, Weißenkirchen im Attergau, Neukirchen an der Vöckla – Reiterspiele aufgeführt,
deren Disziplinen an das Mittelalter erinnern: Kranzlstechen, Fasselschlagen, Blochziehen...


Die Narren werden geweckt

Am 11. November beginnt nicht der Fasching, wie oft angenommen wird; Zeit zum
ausgelassenen Feiern ist erst vom 7. Jänner bis zum Faschingsdienstag (nächstes Jahr am 25.
Februar). Am 11.11. werden dagegen nach alter Tradition „die Narren geweckt“, ab jetzt
bereiten sie sich auf die Faschingszeit vor. Um 11:11 Uhr beginnen Faschingsgesellschaften
ihre Versammlungen, Faschingsprinzen und -prinzessinnen werden gekürt, Programmideen
für die „5. Jahreszeit“ gewälzt.


Zum Beinamen „kleine Fastnacht“ kam der 11.11., da Ernte- und Schlachtfeste, üppiges
Essen beim Gesindewechsel und bei den jetzt fälligen Abgabenleistungen an Gutsherren den
„richtigen“ Fastnachtsfesten ähnelten.

Ich geh mit meiner Laterne …

Eine bedeutende Rolle im Brauchtum spielt der 11.11. als Fest des Heiligen Martin. Er wurde
316 n. Chr. Im heutigen Ungarn geboren, wurde römischer Soldat und später Bischof im
französischen Tours. Der Legende nach soll er am Stadttor von Amiens hoch zur Ross seinen
Mantel mit einem armen, frierenden Bettler geteilt haben. Diese Szene wird bei vielen
Martinsfesten mit Laternenumzügen in Kindergärten nachgestellt wird. Die Kinder singen:

Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.
Da oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir.
Mein Licht ist schön, könnt ihr es seh'n, la bimmel, la bammel, la bum...

Als kleine Jause gibt es für die Kinder beim Martinsumzug das Martinskipferl, ein
Briochegebäck mit Hagelzucker. Wie Martin den Mantel, teilen die Kinder ihr Kipferl mit
jemandem.


Mit dem Martinstag ging auch traditionell das bäuerliche Arbeitsjahr zu Ende. Das Vieh wurde zum letzten Mal auf die Weide getrieben, und auch der Dienstbotenwechsel fand in manchen Gegenden zu Martini statt. Als Dank gaben viele Bauersleute den Dienstboten eine gemästete Gans mit, was sich in unserem Speiseplan mit dem Martinigansl fortsetzt.
Am Martinstag begann früher auch eine Fastenzeit mit Tanz- und Heiratsverbot. Zuvor wurde nochmals reichlich aufgetischt. Mit Gänsen wird Martin in Verbindung gebracht, da es der Legende schnatternde Gänse waren, die sein Versteck verrieten, als er sich anfangs weigern wollte, das Bischofsamt anzunehmen.

Wolfablassen

In diese Jahreszeit gehört auch altes Brauchtum aus dem Böhmerwald, das bereits in Vergessenheit geraten war. Zu klappernden Ratschen, läutenden Glocken und polterndem Lärm riefen Hirten und Dienstboten vor jedem Hof: „Der Wolf ist abgelassen!“ Als Wölfe verkleidete Jugendliche stürmten daraufhin herbei, im ganzen Ort entwickelte sich eine wildes Treiben von „Wolfablassern“ und „Wölfen“. Dieser Brauch sollte vor den Wölfen aus dem böhmischen Wald schützen. Die Kulturgemeinschaft Klaffer am Hochficht hat ihn wiederbelebt.

Kathrein stellt den Tanz ein

Eine wichtige Tagesheilige für die Volkskultur ist besonders vielseitig, sie ist nämlich Patronin der Frauen, Studenten, Lehrer, Redner, Gerber, Friseure, Anwälte und Notare, darüber hinaus hilft sie bei Migräne und bei Zungenkrankheiten: die Heilige Katharina („Kathrein“), die auch zu den 14 Nothelfern gezählt wird.


Früher galt der Martinstag, der 11. November, als Beginn der vorweihnachtlichen Fastenzeit mit Tanz- und Heiratsverbot. Heute heißt es „Kathrein stellt den Tanz ein!" Der 25. November ist der letzte Tag für fröhliche Bälle und Tanzfeste, die „Kathreintänze“.

Jagd des kleinen Mannes

Schließlich ist der 25. November auch ein wichtiger Tag für die Vogelfreunde im
Salzkammergut. Kaiser Rudolf II. erlaubte einst die „Jagd des kleinen Mannes", den
Vogelfang. Er ist zum Brauchtum geworden, das 2010 auch in die UNESCO-Liste der
Immateriellen Kulturgüter aufgenommen wurde. Gimpel, Zeisig, Kreuzschnabel und Stieglitz dürfen von Mitte September bis Kathrein gefangen und ein Singvogel pro Art über den Winter zu Hause gehalten werden. Im Frühjahr werden die Vögel wieder in die freie Natur entlassen.

Klaus Huber

Mag. Klaus Huber schreibt ab sofort – jeweils zu Monatsbeginn – den Heimatwerk-Blog über das oö. Brauchtum der folgenden Wochen.
Der Volkskultur ist Klaus Huber seit Jahrzehnten sowohl beruflich (ORF) als auch ehrenamtlich (Stelzhamerbund, OÖ. Forum Volkskultur) eng verbunden.
Die OÖ Nachrichten, für die er jeden Donnerstag eine Volkskulturkolumne schreibt, haben ihn „Mister Volkskultur“ getauft – Ausdruck der Wertschätzung für den unumstrittenen Experten, der unsere Traditionen nicht bloß bewahren, sondern ständig sinnvoll weiterentwickeln will.
Hauptanliegen Klaus Hubers ist die Sprache.„Das Wort ist mein Werkzeug“, sagt er und verknüpft seine Betrachtungen oft mit hintergründigen Fachsimpeleien.
Humorig aufbereitet, sollen sie Freude bereiten und Interesse wecken.